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"...die Schule wird nach dem Wiedereröffnen eine andere sein."

Durch das deutsche Auslandsschulgesetz ist vorgeben, dass jede anerkannte deutsche Auslandsschule einen Schulträger als Betreiber hat. In der Regel ist dies ein Förderverein bzw. ein Schulverein, der den satzungsmäßigen Auftrag hat, die Schule gemeinnützig zu betreiben. Für die Deutsche Schule Prag (DSP) ist dies die "Stiftung Deutsche Schule Prag".
Wir sprachen mit Herrn Helge-Falk Chladek und Herrn Richard Body, ehrenamtliche Vorstandsmitglieder der Stiftung und des Schulvereins Deutsche Schule Prag, über die aktuelle Lage der Deutschen Schule Prag in Zeiten der Corona-Krise.




DSP: Herr Chladek, wie erleben Sie gerade diese völlig neue Situation in der Corona-Krise?

H.-F. Chladek: Die Corona Krise stellt uns alle vor ungemeine Herausforderungen. Nicht vorhersehbar und vorstellbar, erleben wir seit einigen Wochen tiefe Einschnitte in unseren persönlichen Lebensbereichen. Keiner ist davon ausgenommen. Mit den Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Corona Virus müssen wir persönliche Entbehrungen und Einschränkungen im täglichen Leben hinnehmen: Treffen mit Freunden, Familienbesuche, Fahrten zu Verwandten und Freunden nach Deutschland sind nicht möglich. Auch gibt es für jeden von uns persönlich sehr einfache aber wichtige Dinge, die wir nicht mehr unternehmen können - von den geplanten Urlaubsreisen der Familien zu Ostern ganz abgesehen. Das führt nicht nur zu Unsicherheit, Zweifeln und gar Ängsten, sondern auch zu zusätzlichen Belastungen bei uns allen. Besonders dann, wenn wirtschaftliche Folgen sichtbar werden und die Familien treffen. Ich denke hier an die vielen Selbständigen und Kleinunternehmer, aber auch an die Angestellten deren Jobs in Gefahr sind oder bereits ihre Arbeit verloren haben. Es betrifft aber auch unsere gewohnte Arbeitswelt: Home Office, mit allen Vor- und Nachteilen, ist für die meisten von uns eine neue Form der Arbeit und muss auch erst erlernt und organisiert werden. Dennoch zeigt sich in diesen Tagen, wie gut eine Gemeinschaft funktionieren kann, und wie sich die Menschen gegenseitig unterstützen, wenn es darauf ankommt. Darum wird auch Folgendes benötigt um diese Krise zu überstehen: Geduld, Zuversicht und Solidarität

DSP: Herr Body, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage an der Deutschen Schule Prag?

R. Body: Mit Schließung der Schule und Umstellung auf Fernunterricht stehen wir vor neuen, gewaltigen, bisher nicht bekannten Aufgaben, die kurzfristig gelöst werden mussten bzw. noch müssen. Distance- bzw. E-Learning musste sprichwörtlich über Nacht ins Leben gerufen und organisiert werden. Dies war und ist neu für uns alle: Eltern und Schüler, Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Geschäftsführung und Verwaltungsangestellte. Das ist eine große Herausforderung. Was uns Erwachsenen nicht leicht fällt, gilt umso mehr für unsere Kinder. Dass es dabei an der einen oder anderen Stelle zu Beginn hakt, ist aber normal. Doch Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Schulleitung und Geschäftsführung leisten ihr Möglichstes. Wichtig ist, dass das Feedback der Eltern und Schüler aufgenommen wird. Verbesserungen sollen schnellst möglich umgesetzt werden. Leider dauert manches aber auch ein wenig länger, da die IT Kapazitäten nicht unbegrenzt sind. Dennoch sollten wir an dieser Stelle unseren verantwortlichen IT Mitarbeitern Herrn Beyer und Herrn Zwarg hervorheben, denn ohne die beiden wäre der digitale Fernunterricht in der jetzigen Form technisch nicht möglich.

DSP: Die Deutsche Schule Prag ist in einem Netzwerk von 140 von der Bundesrepublik anerkannten Deutschen Schulen im Ausland. Stehen Sie mit anderen Schulen im Kontakt und wie können Sie sich gegenseitig unterstützen?

H.-F. Chladek: Gerade in diesen Zeiten ist der Austausch mit anderen Schulen wichtig. Hier zeigt sich wie wichtig das Netzwerk der deutschen Auslandsschulen ist, aber auch die sehr guten Kontakte zur Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Bonn, der Deutschen Botschaft in Prag (und damit indirekt zum Auswärtigen Amt), sowie dem Weltverband der Deutschen Auslandsschulen (WDA) helfen hier sehr.  Bereits vor der Corona Krise war der Austausch unter den Vorständen, Schulleitungen und Verwaltungen mit anderen Schulen in unserer Region Mittel- und Ost-Europa gegeben. Durch die Corona Krise haben wird den Austausch intensiviert. Das gilt besonders für die Vorstände der Schulen. Es gibt wöchentliche Videokonferenzen, in denen wir uns über Probleme und mögliche Lösungen austauschen. Darüber hinaus bin ich als Vorstandsbeirat der Region im ständigen Austausch mit anderen Regionen der Welt und den deutschen Schulbehörden. So erfahre ich wie es anderen deutschen Schulen mit der Corona Krise ergeht. Ich kann hier nur sagen, dass wir als DSP im Vergleich zu den anderen Schulen gegenwärtig gut dastehen, insbesondere was die finanzielle und schulische Lage angeht: Andere Schulen haben seit Monaten geschlossen, bleiben es auch und kämpfen mit der Ertragssituation.

DSP: Herr Body, wie hat sich die Arbeit des Vorstandes verändert?

R. Body: Mit der Corona Krise ist der Arbeitsumfang natürlich gestiegen: Wir als Vorstand sind uns der besonderen Situation bewusst und stehen daher im täglichen Austausch mit der Schulleitung und Geschäftsführung, um die aktuelle Lage zu besprechen und zu bewerten. Auch erreichen uns viele Fragen von Eltern und Mitarbeitern, die beantwortet werden müssen. Hier sind wir als Vorstand in Kontakt mit allen Gremien, z.B. auch mit dem Elternbeirat, um die Fragen zu beantworten. Wir unterstützen Schulleitung und Geschäftsführung und entscheiden täglich. Gerade was die kurzfristige Finanzplanung angeht, müssen wir Risikoanalysen und Szenarien für die kommenden Monate erarbeiten, um die DSP sicher durch die Krise zu führen und die Folgen für die DSP so gering wie möglich zu halten. Krisenmanagement ist eigentlich nicht die Hauptaufgabe oder Tätigkeit eines Vorstandes, erfordert aber zur Zeit alle unserer Ressourcen, daher müssen andere Aufgaben und Projekte – wie die Raumplanung – leider hintenangestellt werden. Aber nicht nur das Was sondern auch das Wie hat sich für uns als Vorstand geändert. Da Meetings nicht möglich sind, wird vieles und mehr als bisher über Videokonferenzen und unsere Digitalen Plattformen Teams und DESTO erledigt. So wurde die letzte Vorstandssitzung per Teams abgehalten. Dabei merken wir, wie einiges digital einfacher geht, das werden wir beibehalten.

DSP: Als Vorstand kontrollieren Sie auch die Finanzen der Deutschen Schule Prag. Wie wirkt sich die derzeitige Corona Krise auf die wirtschaftliche Situation der Schule aus?

H.-F. Chladek: Wir als Vorstand haben natürlich als Gesellschafter die Kontrollfunktion über die Finanzen. Grundsätzlich ist aber unsere Geschäftsführerin Frau Špetova und ihr Team dafür verantwortlich und arbeitet besonders in diesen Tagen von Corona unermüdlich, um den finanziellen Überblick zu behalten und macht hier sehr gute Arbeit. Durch die solide Haushaltsführung der DSP in den letzten Jahren ist unsere finanzielle Situation an der DSP stabil genug, um in den nächsten Wochen die Krise zu bestehen. Jedoch prüfen wir schon jetzt alle geplanten Ausgaben gründlich auf Ihre Notwendigkeiten, damit weiterhin die Liquidität und finanzielle Stabilität der Schule gesichert ist. Je länger die Krise anhält, desto eher müssen wir aber mit größeren Einsparungen rechnen, da auch die Einnahmen geringer werden. Dazu haben wir unterschiedliche Risiken und Szenarien der Corona Krise und deren Auswirkungen auf die DSP entwickelt und bewertet. Diese Ergebnisse gehen direkt in unsere Entscheidungen und die Haushaltsplanung für das nächste Jahr ein. Dabei stimmen sich alle Verantwortlichen der DSP eng ab.

DSP: Sehen sie notwendige Investitionen, wie z.B. die weitere geplante Digitalisierung und die Raumplanung (Raumkonzept und Ausstattung), gefährdet?

R. Body: Grundsätzlich versuchen wir alle Investitionen - auch bei geringeren Einnahmen - beizubehalten. Aber gerade jetzt müssen Maßnahmen für die Umsetzung von Digitalisierung und Fernunterricht priorisiert und getätigt werden. D.h. in einigen Fällen haben wir Investitionen vorgezogen, z.B. Anschaffung von zusätzlicher IT-Ausstattung. Je nach Budgetlage müssen einige Investitionen in das nächste Schuljahr verschoben werden. Einige der geplanten Investitionen lassen sich aber nicht durchführen. So sollte in diesen Tagen die Lernraumgestaltung und dazu erste Workshops mit Schul-Architekten aus Deutschland durchgeführt werden, was aber jetzt aufgrund der Reisebeschränkungen nicht mehr geht.

DSP: Eine Frage, die Eltern nun öfter an die Schule richten: Werden die Schulgebühren erhöht?

H.-F. Chladek: Eine Schulgelderhöhung aufgrund der Corona Krise ist Stand heute nicht vorgesehen. Im Rahmen der Haushaltsplanung für das nächste Schuljahr war bisher, d.h. vor Beginn der Corona Krise, eine Anpassung der Schulgelder an die Inflation angedacht. Dies werden wir aber unter den gegenwärtigen Entwicklungen neu bewerten und im Rahmen der Haushaltsplanung für das nächste Jahr berücksichtigen.

DSP: Herr Chladek, Sie sprachen von möglichen Einsparungen, um die Krise zu überwinden. Gilt dies auch für den Bereich Personal?

H.-F. Chladek: Unser Ziel ist es, dass wir jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter an der DSP halten wollen. Personalveränderungen aufgrund der Corona Krise sind Stand heute nicht geplant oder vorgesehen, da wir auch als Arbeitgeber gegenüber unseren Mitarbeitern eine Verantwortung haben. Daher prüfen wir jede Möglichkeit um dieses Ziel zu erreichen. Dabei wird es aber auf die Solidarität aller Beteiligten und die der DSP Gemeinschaft ankommen.

DSP: In Tschechien wurden nicht alle Kindergärten automatisch durch die neuen Notstandsregelungen geschlossen. Was hat Sie veranlasst, den Kindergarten zu schließen?

R. Body: Die Entscheidung den Kindergarten zu schließen fiel der DSP nicht leicht insbesondere da einige Familien auf die Betreuung aufgrund der Berufstätigkeit der Eltern angewiesen sind. Dennoch gebot es sich, den Schutz unserer Mitarbeiter, Kinder und uns Eltern an oberster Stelle zu setzen. Mit einer Infizierung über den Kindergarten bzw. Ansteckung der Kinder, Mitarbeiter und Eltern wäre keinem geholfen. Wir prüfen aber derzeit unter welchen Bedingungen wir den Kindergarten, wenn auch nur stufenweise, nach den Osterferien mit einem Notprogramm wieder starten können. Das hängt von vielen Parametern ab und nicht zuletzt von Frau Zörner und ihrem Team. Aber ich denke, wir können -bis spätestens Ende der Osterferien – den Eltern eine erste Lösung anbieten.

DSP: Nun haben viele Eltern schon Gebühren für den Kindergarten, Arbeitsgemeinschaften oder die Nachmittagsbetreuung bezahlt. Werden diese Kosten zurückerstattet?

H.-F- Chladek: Es ist verständlich, dass bei den Eltern mit Schließen des Kindergartens, Ausfall der Betreuung und Schul-AGs eine gewisse Erwartungshaltung entsteht. Gegenwärtig prüft die Geschäftsführung mit dem Vorstand welche Möglichkeiten wir anbieten können. Dabei denken wir nicht nur über mögliche finanzielle Kompensationen, sondern auch über alternative Angebote nach. Genaueres können wir aber noch nicht kommunizieren. Hier kommt die Geschäftsführung auf die Eltern zu.

DSP: Bekanntlich soll man Krisen in Chancen umwandeln. Wo sehen Sie die Chancen dieser Krise für die Deutsche Schule Prag?

R. Body: Ich glaube, die Schule wird nach dem Wiedereröffnen eine andere sein. Gerade mit der Einführung vom digitalen Unterricht entsteht eine positive Dynamik im Kollegium und bei den Schülern. Dieses Momentum sollten wir dazu nutzen, um die DSP weiterzuentwickeln und unsere Lernlandschaft neu zu gestalten. Aber nicht nur was die Digitalisierung angeht, werden wir Chancen haben, gerade der gemeinschaftlicher Zusammenhalt an der DSP wird sich neu definieren und bei allen, Mitarbeitern sowie Schülern, den Gemeinschaftssinn der DSP stärken und somit letztendlich auch Begegnung und Solidarität eine neue Bedeutung für die DSP Gemeinschaft bekommen.

DSP: Zum Schluss eine Einschätzung: Gerade ist das Corona-Virus so dominant, dass wir täglich darüber sprechen müssen. Wann glauben Sie, wird die Schule wieder zur Normalität finden?

H.-F- Chladek: Wir hoffen natürlich, dass wir schnellstmöglich die Schule wieder eröffnen und zur „Normalität“ zurückkehren können. Es gibt aber unterschiedliche Signale seitens der lokalen Behörden, daher lässt sich ein Termin nicht genau vorhersagen. Selbst wenn wir noch vor den Ferien die Schule wieder eröffnen, wird es sicherlich bis ins neuen Schuljahr dauern, um wieder zur Normalität zurückzufinden. Ich denke hier an die vielen Veranstaltungen, die ausfallen oder verschoben werden müssen: die Projektwoche und das geplante Sommerfest vor den Ferien sind aus heutiger Sicht fast nicht mehr machbar. Aber Schulleitung und Geschäftsführung sind natürlich in enger Abstimmung mit den örtlichen Behörden und sowie wir hier positive Neuigkeiten haben, werden wir diese weiterleiten. Wir hoffen, es wird bald sein.

DSP: Herr Chladek, Herr Body, wir bedanken uns für das Gespräch. Bleiben Sie gesund!